Interessengemeinschaft der Waldbesitzer im Thüringer-/Frankenwald

Stille Wald-Politik: Braune Totwälder bald auch im Saale-Orla-Kreis?

OTZ, 18.06.2019, Peter Hagen
Foto: Peter Hagen

Rodacherbrunn: Im Saale-Orla-Kreis sollen über tausend Hektar Wald stillgelegt werden. CDU-Landtagsmitglied Stefan Gruhner fordert mehr Öffentlichkeit bei der geplanten Aktion.

Die braunen Totwälder im Nationalpark Harz gelten als abschreckendes Beispiel für die Folgen einer Waldstilllegung. Jetzt gibt es die Sorge privater Waldbesitzer, dass sich mit der Stilllegung von Waldflächen, die in der Zuständigkeit der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) liegen, im Raum Titschendorf-Grumbach ähnliche Zustände ergeben könnten.

CDU-Landtagsmitglied Stefan Gruhner, der mit besorgten Waldbesitzer bereits Gespräche geführt hatte, brachte das Thema mit einer Kleinen Anfrage im November 2018 in den Thüringer Landtag ein. Folgende Fragen sind durch das Umweltministerium beantwortet worden:

? Ist der Landesregierung konkret bekannt, ob Flächen in Thüringen, insbesondere im Saale-Orla-Kreis, vorgesehen sind, im Rahmen des Programms „Nationales Naturerbe“ stillgelegt zu werden?

Ja, im Rahmen der 4. Tranche des Nationalen Naturerbes sollen Wald- und Offenlandflächen der BVVG übertragen werden, auch im Saale-Orla-Kreis. Bei Waldflächen besteht in der Regel das Ziel, zu einem geeigneten Zeitpunkt die forstwirtschaftliche Nutzung einzustellen.

? Welche Flächen sind in Thüringen und welche ­Flächen im Saale-Orla-Kreis betroffen und wie groß sind diese Flächen?

Bund, Länder und Naturschutzverbände sind gegenwärtig dabei, geeignete Flächen auszuwählen. Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat seine Wünsche im August 2018 an das Bundesamt für Naturschutz gerichtet, bisher aber noch keine Antwort erhalten. Die Liste umfasst circa 2300 Hektar, davon liegt etwa die Hälfte im Saale-Orla-Kreis und betrifft vor allem große Waldflächen im Thüringer Schiefergebirge/Frankenwald, die in räumlichem Zusammenhang mit dem Grünen Band ­stehen.

? An wen sollen eventuell betroffene Flächen übertragen werden und an welche Bedingungen sind diese Übertragungen geknüpft?

Als potenzielle Flächenempfänger für das Nationale Naturerbe kommen der Freistaat Thüringen, die Stiftung Naturschutz Thüringen, ThüringenForst, Naturschutzverbände und -stiftungen, Landschaftspflegeverbände, Träger von Naturschutzgroßprojekten, Kommunen und andere infrage. Für die zu übernehmenden Flächen sind Übernahmevereinbarungen zu entwickeln. Dem Bund ist jährlich über den Stand der Umsetzung zu berichten.

? Stimmt die Landesregierung zu, dass die überwiegend mit Fichten bestockten Waldflächen im Bereich des Grünen Bandes im Saale-Orla-Kreis aus naturschutzfachlicher Sicht nicht für eine Stilllegung ohne weitere Bewirtschaftung geeignet sind?

Zu den Waldbeständen im Saale-Orla-Kreis können derzeit keine Aussagen getroffen werden, da die BVVG keine Bestandsdaten mitgeteilt hat. Auch steht gegenwärtig nicht fest, welche Flächen tatsächlich übertragen werden sollen. Für Waldflächen des Nationalen Naturerbes besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Waldumbaumaßnahmen durchzuführen, die zu naturnäheren Laub- und Mischwaldbeständen führen. Weiterhin können mit Zustimmung des Bundes weniger geeignete Flächen, wie zum Beispiel Fichtenbestände, gegen besser geeignete Flächen, wie zum Beispiel Laubwaldbestände, die außerhalb des Nationalen Naturerbes liegen, getauscht werden.

Der Flächenempfänger verpflichtet sich im Rahmen der Übertragungsvereinbarung, innerhalb von zwei Jahren ein Leitbild zu erstellen oder – bei großflächigen Flächen des Nationalen Naturerbes – innerhalb von fünf Jahren einen Pflege- und Entwicklungsplan zu erstellen und mit dem Bund abzustimmen. Darin ist geregelt, welche Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt beziehungsweise ab wann Wälder aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden sollen.

Thema jetzt erneut im Thüringer Landtag

Vergangenen Freitag hat Stefan Gruhner das Thema erneut auf die Tagesordnung im Landtag gesetzt. „Ich habe die Sorgen in der Region aufgegriffen und im Landtag nachgebohrt, was ­genau beabsichtigt ist“, informierte Gruhner am Montag. Der Staatssekretär des von den Grünen geführten Umweltministeriums habe demnach im Parlament bestätigt, dass sein Ministerium dem Bundesamt für ­Naturschutz 1400 Hektar Waldfläche auf dem Gebiet der Stadt Wurzbach in den Gemarkungen Wurzbach, Grumbach, Rodacherbrunn und Titschendorf zur Stilllegung vorgeschlagen hat. „Ich habe die Landesregierung aufgefordert, mir die genauen Flurstücksnummern in den nächsten Tagen zu übermitteln“, so der Abgeordnete.

Gruhner erinnert daran, dass es noch im Januar seitens des Umweltministeriums hieß, dass zu den Waldbeständen im Saale-Orla-Kreis keine Aussagen getroffen werden könnten, da die BVVG keine Bestandsdaten mitgeteilt habe und noch nicht feststehe, welche Flächen tatsächlich übertragen werden sollen. „Wenn jetzt auf einmal konkrete Flächen benannt werden, zeigt dies, dass das Umweltministerium bisher gemauert hat und hinter verschlossenen Türen versucht, Fakten zu schaffen“, kritisiert Gruhner, „diese grüne Hinterzimmerpolitik ohne Einbindung der betroffenen Region und ohne Einbindung der Verantwortlichen vor Ort ist einfach eine Sauerei. Es kann nicht sein, dass die rot-rot-grüne Regierung dem Bund einfach Waldflächen zur Stilllegung vorschlägt ohne mit den Menschen vor Ort zu sprechen. Wenn wir hier nicht nachbohren würden, würde das ganze Vorhaben an uns vorbei laufen.“

Gruhner machte deutlich, dass er den Widerstand in der Region massiv unterstützen werde und kündigte zugleich an, sich gegenüber dem Bund einzusetzen, die Thüringer Vorschläge so nicht zu akzeptieren. Zusätzlich schlägt Gruhner vor, eine Petition an den Landtag zu starten und eine öffentliche ­Anhörung zu dem Thema zu erzwingen. „Das Thema braucht mehr Transparenz und vor allem müssen die Menschen vor Ort zu Wort kommen“, so der Abgeordnete. „Grundsätzlich ist das Programm Nationales Naturerbe richtig.

Damit will der Bund bundeseigene Fläche unentgeltlich an Länder, Naturschutzorganisationen, Stiftungen und Kommunen zur dauerhaften naturschutzfachlichen Sicherung übertragen. Allerdings kann es nicht sein, dass die Thüringer Landesregierung hierfür fortwirtschaftlich wertvolle Flächen vorschlägt. Für unsere Region ist die Holzwirtschaft auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zudem zeigt die heimische Forstwirtschaft, dass sie mit dem Naturschutz Hand in Hand arbeitet. Deshalb müssen zum Ausgleich andere ­Flächen vorgeschlagen werden, die fortwirtschaftlich weniger bedeutsam sind.“