Interessengemeinschaft der Waldbesitzer im Thüringer-/Frankenwald

Laute Pfiffe gegen Waldstilllegung

Neue Presse Coburg, 21.07.2019, Michael Wunder
Foto: Michael Wunder

300 Menschen demonstrieren in Rodacherbrunn gegen die Pläne, ein Areal nahe Nordhalben ins Programm "Nationales Naturerbe" aufzunehmen. Man befürchtet auch die Ausbreitung des Borkenkäfers.

Nordhalben/Rodacherbrunn - Gegen die in Thüringen geplante Stilllegung eines rund 1400 Hektar großen Waldgebietes haben am Samstag in Rodacherbrunn rund 300 Menschen demonstriert. Nahe dem alten Forsthaus hatten die Verantwortlichen um Bürgermeister Jan Schübel (CDU) aus Wurzbach allerdings mit mindestens 1000 Demonstranten gerechnet.

Das gesamte Gebiet nahe Nordhalbens soll in das Programm "Nationales Naturerbe" aufgenommen werden (die Neue Presse berichtete). Rund 90 Prozent der Fläche ist mit Fichten bestockt. Die Gegner haben größte Bedenken, dass bei einer Nicht-Bewirtschaftung der Borkenkäfer auch auf die angrenzenden Wälder übergreift. Sie forderten deshalb gerade in Zeiten des Klimawandels einen gezielten naturnahen Waldumbau, mit dem Ziel, stabile Mischwälder zu schaffen. Mit Transparenten machten die Bürger klar, dass sie den Stillstand ablehnen und in ihrer Region keine Zustände wie im Nationalpark Bayerischer Wald und dem Harz wünschen.

Bürgermeister Schübel aus Wurzbach betonte, man wolle Transparenz statt "Hinterzimmerpolitik". Gerüchteweise habe man zunächst erfahren, dass die 1436 Hektar große Fläche von Grumbach bis Titschendorf, die sich im Eigentum der Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH (BVVG) befindet, stillgelegt werden soll. Er bezeichnete die Vorgehensweise im Vorfeld als eine "Schweinerei". Nach einem Kaufangebot habe man auch einen Petitionsantrag an den Landtag gestellt. Vor Ort möchte man, dass die Flächen auch in 50 Jahren noch bewirtschaftet werden können, meinte er unter dem Beifall der Anwesenden. Es müsse deshalb nochmals eindringlich geprüft werden, ob diese Maßnahme abwendbar sei.

Das beste Beispiel, das Natur und forstliche Nutzung in Einklang zu bringen seien, gebe das mehrfach ausgezeichnete Revier von Hartmut Hofmann, das direkt angrenzt. Der zuständige Landtagsabgeordnete Stefan Gruhner (CDU) sprach von einem starken Ziel für die Natur. Es mache fachlich keinen Sinn; auch müsse das Eigentum geschützt werden. Für den Klimaschutz sei die Stilllegung mehr als fraglich.

Nach eigenen Worten hatte Staatssekretär Olaf Möller vom Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz kein Heimspiel. In seiner Rede - stets durch Pfiffe unterbrochen - ging er auf die große Herausforderung für die Fichte ein. Der Waldbesitzer und aktive Jäger appellierte, dass es Dinge gebe, die dem Naturschutz vorbehalten werden müssten. Die Auswirkungen der Klimakrise seien täglich zu erleben. Er sprach von einem ganz normalen Verfahren. Es werde nichts im Hinterzimmer entschieden. "Wir wollen die Stilllegung", sagte er unter den Pfiffen der Demonstrationsteilnehmer. Laut Gesetz gelte der Wald zur Nutzung und zum Schutz, lediglich fünf Prozent würden in den Schutz gestellt. Dort sollen später nach einen gezielten Waldumbau, der unumgänglich ist, auch die Sägen ruhen.

Oberförster Hartmut Hofmann schimpfte, dass es "eine Sauerei" sei, wie die BVVG mit ihren Wäldern umgeht. Ganze Käfernester würden stehen gelassen und erst verzögert aufgearbeitet. Erst seit die Initiative bestehe, bewege sich etwas in den Wäldern rund um Rodacherbrunn. Der Umgang mit dem Staatsvermögen sei nicht nachvollziehbar. Er könne nicht verstehen, warum man das Angebot von Ausgleichsflächen nicht annehme. Der Geschäftsführer von Mercer Holz, Wolfgang Beck, betonte, dass großflächige Flächenstilllegungen für die Biodiversität nicht geeignet seien. Man dürfe hier den Bürger nicht weiter schikanieren. Er sah zudem 110 Arbeitsplätze gefährdet.

Nordhalbens Bürgermeister Michael Pöhnlein (FW) verwies auf die vor zwei Jahren im Frankenwald geführte Debatte um den Nationalpark. Selbst Naturschutzverbände hätten damals Stilllegungen in dieser Größenordnung als nicht geeignet eingeschätzt.

Jan Schübel machte vor dem großen Konvoi mit rund 80 Forstfahrzeugen klar, dass man weiter machen werde, bis die Forderungen erfüllt seien.

Unter den Teilnehmern war auch der langjährige Landrat das Kreises Lobenstein, Norbert Hetterle. Er zeigte für die Stilllegungsüberlegungen kein Verständnis. Der Wald sei ein guter Kohlenstoffspeicher, die vorgesehene Fläche nehme in einem Jahr knapp 20 000 Tonnen CO2 auf.

Solidarisch mit den Thüringern zeigen sich auch die Jagdpächter aus Ostwestfalen. Sie seien extra angereist, betonte Ludger Glasmacher. Insbesondere wisse man ja nicht, was nach der Stilllegung wirklich passiert.